Das Alpen-Fettkraut (Pinguicula alpina) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der FettkrÀuter (Pinguicula) innerhalb der Familie der WasserschlauchgewÀchse (Lentibulariaceae). Sie ist in Eurasien verbreitet und zÀhlt zu den wenigen heimischen Fettkraut-Arten im deutschsprachigen Raum. Ihrem Artepitheton Pinguicula und Trivialnamen Alpen-Fettkraut entsprechend handelt es sich bei dieser fleischfressenden Pflanze um eine hauptsÀchlich in Gebirgen anzutreffende Art.
Das Alpen-Fettkraut ist eine sommergrĂŒne, ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 5 bis 15 Zentimetern erreicht. Die Wurzel ist 1 bis 2 Zentimeter lang, weiĂgelb, fleischig und strangförmig. Vitale Pflanzen bilden in den Achseln der BlĂ€tter nach der BlĂŒtezeit rund 3 Millimeter lange Brutzwiebeln, die der vegetativen Vermehrung dienen. An arktischen Standorten bleibt die Brutzwiebelbildung allerdings aus. Zum Winter hin zieht die Pflanze in ein Hibernakel ein, eine leicht in der Erde versenkte Knospe, aus dem sie erst im FrĂŒhjahr wieder austreibt, sie ist also ein Hemikryptophyt. Als einzige temperierte Fettkraut-Art hat das Alpen-Fettkraut bewurzelte Hibernakel.
FĂŒnf bis acht BlĂ€tter bilden eine flach am Boden liegende Rosette mit bis zu sechs Zentimeter Durchmesser. Die einfachen, fleischigen, hellgrĂŒnen bis rötlichen Blattspreiten sind elliptisch bis lanzettlich, lĂ€nglich. An der OberflĂ€che sind die BlĂ€tter klebrig vom Fangsekret, mit dem sie kleine Insekten fangen. Sobald Beute erzielt wird, wird diese durch Enzyme verdaut, welche von DrĂŒsen aus der BlattoberflĂ€che ausgeschieden werden, die allerdings entlang der Mittelrippe der BlĂ€tter fehlen. Die BlĂ€tter sind zur UnterstĂŒtzung des Fangs sehr beweglich und können sich bis fast zur Blattmitte weit einrollen. Unter starker Sonneneinstrahlung fĂ€rben sich die BlĂ€tter rötlich ein.
Das Alpen-Fettkraut blĂŒht das erste Mal erst nach mehreren Jahren. Ab April bis Juli wachsen aus der Mitte der Rosette bis zu acht, selten sogar bis zu dreizehn BlĂŒtenstĂ€nde mit EinzelblĂŒten. Die BlĂŒtenstandsschĂ€fte sind bis zu 12 Zentimeter hoch.
Die zwittrigen BlĂŒten sind bei einer LĂ€nge von 10 bis 16 Millimetern zygomorph und fĂŒnfzĂ€hlig mit doppelter BlĂŒtenhĂŒlle. Die fĂŒnf KelchblĂ€tter sind verwachsen. Es ist ein mit einer LĂ€nge von 2 bis 3 Millimetern relativ kurzer, kegelförmiger, gelb-grĂŒner Sporn vorhanden. Die fĂŒnf KeronblĂ€tter sind verwachsen. Die BlĂŒtenkrone besteht aus einer dreilappigen Unterlippe und zweilappigen Oberlippe. Die BlĂŒtenkrone ist weiĂ mit einem in Form und GröĂe variablen, gelben Schlundfleck. Der Kronschlund ist behaart. Die BlĂŒten sind protogyn, das heiĂt die weiblichen Narben reifen vor den mĂ€nnlichen Staubbeuteln. Die BestĂ€ubung erfolgt durch Fliegen.
Die bei einer LĂ€nge von 6 bis 9 Millimetern sowie einer Breite von 2 bis 3 Millimetern eilĂ€nglichen, spitz zulaufenden KapselfrĂŒchte enthalten reichlich staubfeine, rostbraune Samen.
Die Chromosomengrundzahl betrÀgt x = 8; es liegt Tetraploidie vor mit einer Chromosomenzahl von 2n = 32.
Das Alpen-Fettkraut hat in Europa zwei Verbreitungsschwerpunkte, einmal in den Alpen (vor allem den Randalpen) und des Weiteren im Ă€uĂersten, subarktischen Norden Skandinaviens. Ihre Grenzen erreicht Pinguicula alpina im Westen in den PyrenĂ€en sowie im Osten in den Karpaten, ist aber verstreut auch als Glazialrelikt im Baltikum sowie auf dem Balkan zu finden (Slowakei, Polen, Ungarn, RumĂ€nien, Slowenien, Kroatien). Voreiszeitlich war das Alpen-Fettkraut jedoch in Asien beheimatet, wo es bis heute in Sibirien, in China und ĂŒberall im Himalaya (Nepal, Tibet, Indien) vorkommt.
Im deutschsprachigen Raum findet sich das Alpen-Fettkraut nicht nur in der Schweiz und auĂer in Wien zerstreut ĂŒberall in Ăsterreich (wo Vorkommen abseits der Alpen Glazialrelikte sind und nicht etwa von den Alpen ausstrahlen), sondern auch in Deutschland, wo es neben dem Gemeinen Fettkraut (Pinguicula vulgaris) die einzige vorkommende Fettkrautart ist.
Das Alpen-Fettkraut findet sich in Höhenlagen von bis zu 4100 Metern an vollsonnigen Standorten. In den AllgÀuer Alpen steigt es im Tiroler Teil östlich des Karjoches bis zu einer Höhenlage von 2167 Metern auf.
Die Habitate haben alkalische bis neutrale, sickernasse Böden. Die Pflanze ist aber auch ungewöhnlich trockenheitstolerant fĂŒr eine Fettkrautart temperierter Zonen. Das Alpen-Fettkraut ist typisch fĂŒr subalpine Rieselfluren, Quellmoore und alpine Steinrasen.
Es tritt in der alpinen Höhenstufen hÀufig in Begleitung von Polster-Segge, Alpen-Sonnenröschen, Schlangen-Knöterich, Silberwurz und Kopfigem LÀusekraut auf. Hier findet es sich hauptsÀchlich in den Pflanzengesellschaften des Verbandes Seslerion albicantis (Alpine Blaugras-Rasen) und der Assoziation Caricetum firmae (Polsterseggen-Rasen).
Bei collinen bis montanen Vorkommen wird es von Schwarzem Kopfried, Rostrotem Kopfried, Sumpf-Stendelwurz, Löffelkraut, aber auch dem Gemeinen Fettkraut begleitet. Hier findet es sich schwerpunktmĂ€Ăig in den Pflanzengesellschaften der VerbĂ€nde Caricion davallianae (Kalk-Flachmoor, Davallseggen-Sumpf) und Cratoneurion commutati (Kalk-Quellflur).
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt & al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 4w+ (sehr feucht aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 2 (subalpin), NÀhrstoffzahl N = 2 (nÀhrstoffarm), KontinentalitÀtszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).
Das Alpen-Fettkraut ist wegen seiner geographisch weiten Verbreitung nicht unmittelbar gefĂ€hrdet. In Deutschland ist es jedoch selten und durch die Bundesartenschutzverordnung besonders geschĂŒtzt. In der Schweiz ist es teils auf kantonaler Ebene geschĂŒtzt, gilt allerdings weitestgehend als ungefĂ€hrdet. In Ăsterreich gilt es nur im pannonischen Gebiet und im Nördlichen Alpenvorland als regional gefĂ€hrdet.
1583 unterschied Clusius in seiner Historia stirpium rariorum per Pannoniam, Austriam bereits zwei Formen, eine blaublĂŒhende (Gemeines Fettkraut, Pinguicula vulgaris) und eine weiĂblĂŒhende (Alpen-Fettkraut). 1753 nahm LinnĂ© Pinguicula alpina und Pinguicula vulgaris in seinem Werk Species Plantarum gemeinsam mit Pinguicula villosa und Pinguicula lusitanica auf.
Seither sind zahlreiche Unterarten, VarietÀten und Formen des Alpen-Fettkrautes beschrieben worden, es wird jedoch keines dieser Taxa mehr akzeptiert.
Das Alpen-Fettkraut ist (von der Ă€uĂerst seltenen Pinguicula crystallina abgesehen) die einzige europĂ€ische Art, die nicht der Sektion Pinguicula angehört. Es gehört stattdessen zur Sektion Micranthus, deren Typusart es ist und deren drei andere Mitglieder in Russland, Nordsibirien und Japan beheimatet sind.
Die Volksmedizin unterschied die verschiedenen Arten der FettkrĂ€uter nicht weiter, setzte sie aber gegen Wunden, GeschwĂŒlste, Ischialgie, Leberleiden und Magen-, Brust- und Lungenerkrankungen ein. Ihr Nutzen gegen die genannten Krankheiten wird auf die in der Pflanze enthaltene ZimtsĂ€ure zurĂŒckgefĂŒhrt.