Canterbury [ËkĂŠntÉbÉÉčÉȘ] ist eine britische Stadt mit 62.767 Einwohnern (Stand 2017). Sie liegt am Fluss Stour in der Grafschaft Kent im SĂŒdosten Englands und ist Sitz des Erzbischofs von Canterbury und daher Zentrum der Anglikanischen Kirche.
Der Ortsname Canterbury kommt von altenglisch Cantwaraburig fĂŒr âBurg (oder Stadt, Ort) der Leute von Kentâ. Die lateinische Bezeichnung ist Cantuaria; im Deutschen gibt es die veralteten Formen Kanterberg, Kanterburg oder Kantelberg.
Canterbury soll der Sage nach 900 v. Chr. von Rudilibas angelegt und von den alten Briten Caerther oder Caerkent (Stadt von Kent) genannt worden sein. Ab 43 n. Chr. entstand an ihrer Stelle das römische Durovernum Cantiacorum (römisch: duro = âFortâ, verno = âSumpfâ), das sich zu einem Verwaltungszentrum entwickelte und das gröĂte römische Theater Britanniens besaĂ; ab 200 n. Chr. wurde die Stadt mit einer Stadtmauer umgeben. Ăthelberht von Kent, der ab 568 n. Chr. regierte, machte Canterbury zu seiner Residenz und nannte sie Cantwarabyrig.
Nach dem Ăbertritt der Angelsachsen zum Christentum wurde die Stadt Sitz des Erzbischofs-Primas, dem geistlichen Oberhaupt der Kirche von England und der anglikanischen Kommunion. Die Erzbischöfe von Canterbury werden seit dem Bruch Heinrichs VIII. mit Rom vom englischen König (spĂ€ter britischen König) bestimmt.
Der Apostel der Angelsachsen, Augustinus von Canterbury, auch Austin genannt, war der erste Erzbischof von Canterbury. Er wurde von Papst Gregor I. im Jahr 597 zu König Ăthelberht gesandt in Begleitung von Laurentius von Canterbury, dem spĂ€teren zweiten Erzbischof.
Augustinus lieĂ eine alte Kirche in Canterbury als seine Kathedrale wieder aufbauen und neu weihen und grĂŒndete dazu ein Kloster. Ein zweites Kloster auĂerhalb der Stadtmauern wurde St. Peter und St. Paul gewidmet. SpĂ€ter, 978, wurde das Kloster dem inzwischen heiliggesprochenen Augustinus geweiht.
Der italienische Philosoph und Theologe Anselm von Canterbury wurde im Jahr 1093 Erzbischof von Canterbury, musste aber zweimal ins Exil gehen, da er sich mit William II. und mit Henry I. ĂŒber die Frage der Laieninvestitur zerstritt.
Mit Justin Welby wurde 2013 der 105. Erzbischof in ununterbrochener Folge geweiht. Er ist der Nachfolger von Rowan Williams, der 2002 das Amt ĂŒbernommen hatte.
Die Kathedrale von Canterbury (Christ Church Cathedral) ist in Form eines erzbischöflichen Doppelkreuzes erbaut und hat von Ost nach West eine LĂ€nge von 160 Metern sowie in ihren zwei Querschiffen eine Breite von 48 und 40 Metern. Der Ă€lteste Teil ist die um 1070 erbaute Krypta. Das Kirchenbauwerk ist die GrabstĂ€tte von König Heinrich IV. von England und von Edward of Woodstock, dem âSchwarzen Prinzenâ. Vor allem wurde sie berĂŒhmt durch den Mord an Thomas Becket im Jahre 1170. Sein lĂ€ngst verschwundener Schrein war bis zur Reformation das Ziel Tausender Wallfahrer, etwa Geoffrey Chaucer, der seine Canterbury Tales 1387 schrieb.
Der Mord an Thomas Becket ist Gegenstand in den Dramen von George Darley (1840), Alfred Tennyson (1884) und Jean Anouilh (1959) sowie in T. S. Eliots TheaterstĂŒck Murder in the Cathedral (1935), das im Chapter House uraufgefĂŒhrt wurde und in Ken Folletts Roman Die SĂ€ulen der Erde.
Die ErzĂ€hlungen der Canterbury Tales (deutsch: âCanterbury-Geschichtenâ) des mittelalterlichen Dichters Geoffrey Chaucer sind in eine Rahmenhandlung eingebunden, die von einer Pilgergruppe auf ihrem Weg von London nach Canterbury zum Grabmal von Thomas Becket handelt. Die Themen der ErzĂ€hlungen variieren und beinhalten höfische Liebe, Verrat und Habsucht. Die Genres variieren ebenso, es gibt Romanzen, bretonische Lai (kurze rhythmische ErzĂ€hlungen), Predigten und Fabeln. Hier ein Beispiel aus dem mittelenglischen Text des 14. Jahrhunderts:
- Bifil that in that seson, on a day,
- In Southwerk at the Tabard as I lay
- Redy to wenden on my pilgrymage
- To Caunterbury with ful devout corage,
- At nyght was come into that hostelrye
- Wel nyne and twenty in a compaignye
- Of sondry folk, by aventure yfalle
- In felaweshipe, and pilgrimes were they alle,
- That toward Caunterbury wolden ryde.
Canterbury entwickelte sich in römischer Zeit als besagtes Durovernum Cantiacorum zu einer bedeutenden Siedlung. Nach der Christianisierung Kents wurden einige frĂŒhrömische Kirchen wieder fĂŒr den Gebrauch hergerichtet, so z. B. St. Martin und die damals an der Stelle der jetzigen Kathedrale befindliche Kirche. Seit jener Zeit ist Canterbury Mittelpunkt der Kirche in England und Anziehungspunkt fĂŒr viele Besucher; nach der Ermordung von Thomas Becket waren das vor allem Wallfahrer. Im 12. Jahrhundert avancierte Canterbury zur zweitgröĂten MĂŒnzstĂ€tte Englands nach London. Im 16. Jahrhundert setzte dank der EinfĂŒhrung der Weberei durch die Hugenotten, die als ReligionsflĂŒchtlinge vom Festland kamen, ein wirtschaftlicher Aufschwung ein. Im Jahr 1888 erhielt die Stadt Grafschaftsrechte, obwohl sie bis dahin von der Industriellen Revolution kaum berĂŒhrt wurde und die Zahl der Einwohner nur geringfĂŒgig zugenommen hatte.
Die Stadt blieb ĂŒber lange Zeit weitgehend unverĂ€ndert, wurde aber im Zweiten Weltkrieg durch die deutsche Luftwaffe bei den âBaedeker-Vergeltungsangriffenâ auf kulturell bedeutende StĂ€dte Englands im Jahr 1942, vor allem am 1. Juni, stark beschĂ€digt. Seitdem hat sich Canterbury zu einer modernen Stadt und einem wichtigen Einkaufszentrum entwickelt, mit groĂem Freizeitangebot, guten Verkehrsverbindungen und vielfĂ€ltigen Unterkunftsmöglichkeiten. Weil viele historische Bauwerke erhalten blieben, konnte der mittelalterliche Charakter des Stadtkerns bewahrt werden. Bemerkenswert sind auĂer der Kathedrale auch die vielen anderen alten Kirchenbauwerke in der Stadt. ErwĂ€hnenswert sind hier u. a. Greyfriars, St Martinâs Church und St. Dunstanâs Church.
Ein GroĂteil der Stadtmauer ist unversehrt; von den sechs alten Toren ist nur noch eins, das Westgate, aus der Zeit Richards II. erhalten; es beherbergt heute ein Museum. Am Fluss Stour entlang reihen sich die historischen WeberhĂ€user aneinander, und weiter flussabwĂ€rts liegen die Klöster der Blackfriars und Greyfriars aus dem 13. Jahrhundert. Canterbury bietet eine Vielzahl weiterer historischer SehenswĂŒrdigkeiten wie den Bergfried des ehemaligen normannischen Canterbury Castles oder die normannische Treppe der Kingâs School. Einige von ihnen haben berĂŒhmten Dichtern und Schriftstellern als Anregung gedient. Christopher Marlowe wurde in Canterbury geboren und in St. Georg getauft. Trotz seiner engeren Bindungen an Rochester und Broadstairs wĂ€hlte Charles Dickens als Schauplatz seines Romans David Copperfield Canterbury.
Neben der Kathedrale von Canterbury ist auch die St Martinâs Church Weltkulturerbe.
Zu den Bildungseinrichtungen der Stadt gehören die University of Kent, die Canterbury Christ Church University (gegrĂŒndet 1962), die University for the Creative Arts, das Chaucer College, eine Graduiertenschule fĂŒr japanische Studenten, und das Franciscan International Study Centre, eine Schule fĂŒr den Orden der Franziskaner. AuĂerdem gab es von 1848 bis 1976 das St. Augustineâs College, ein theologisches Seminar der Anglikanischen Kirche. Des Weiteren gibt es das Kent College an der Whitstable Road, welches mit internationalen SchĂŒlern besetzt ist.
The Kingâs School wurde im Jahr 597 vom hl. Augustinus von Canterbury gegrĂŒndet und ist die Ă€lteste, dauerhaft bestehende Schule der Welt. Nach der Auflösung der Klöster wurde die Schule durch den englischen König Heinrich VIII. 1541 neu gegrĂŒndet. Ein berĂŒhmter SchĂŒler war Christopher Marlowe. Kardinal Reginald Pole verlegte die Schule in den Mint Yard. Sie wurde eine Public School von nationalem Ruf. Das heutige School House besteht seit 1860. In den 1930er Jahren wurden neue GebĂ€ude fĂŒr mehr SchĂŒler hinzugefĂŒgt. Seit den 1970er Jahren können sie auch MĂ€dchen besuchen. Heute ist sie eine Independent School.
Das Canterbury Heritage Museum informiert ĂŒber die Stadtgeschichte in eindrucksvollen Inszenierungen, wĂ€hrend das Canterbury Tales Museum ĂŒber Chaucer und seine Zeit berichtet. Im Roman Museum ist ein Mosaik in situ erhalten. Im mittelalterlichen Westtor befindet sich ein kleines militĂ€rhistorisches Museum, das unter anderem auch deutsche BeutestĂŒcke aus den beiden Weltkriegen zeigt.
Canterbury hat zwei Bahnhöfe und liegt an der SchnellstraĂe A2 nach London. Ăber das Schienennetz ist die Stadt an den Eurostar angebunden, der in Ashford (in 25 Kilometer Entfernung) hĂ€lt. Ab dort gibt es Direktverbindungen nach London-St Pancras, Paris und BrĂŒssel. Das StraĂennetz verbindet Canterbury ĂŒber die AutofĂ€hren des benachbarten Dover mit dem europĂ€ischen Festland. Ab 1830 gab es mit der Bahnstrecke CanterburyâWhitstable 120 Jahre lang eine direkte Schienenverbindung von der 10 Kilometer nördlich gelegenen Hafenstadt Whitstable.
Im Jahr 2001 bezeichneten sich 94 Prozent der Bevölkerung als WeiĂe. Keine andere Gruppe hat mehr als zwei Prozent Bevölkerungsanteil.
Die rund 42.000 Einwohner auf einer FlĂ€che von 23,54 kmÂČ ergeben eine Bevölkerungsdichte von 1.795 Personen pro Quadratkilometer.
Canterbury war unter anderem einer der Austragungsorte des Cricket World Cup 1999.
In Canterbury entwickelte sich Anfang der 1960er Jahre eine neue Musikrichtung, der Canterbury Sound. Diese jazzgeprÀgte an den Progressive Rock angelehnte Musik brachte eine Vielzahl von Bands hervor. Um diese Bands entstand damals eine regelrechte Canterbury Scene.